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Kuriose Orte in Hamburg: Schräge Lieblingsecken und seltsame Plätze

Ein Mini-Leuchtturm am Ende einer Allee, Fenster mit sündigen Geheimnissen, eine Krypta unter der Großen Freiheit – folgt mir an kuriose Orte der Stadt, hinter denen sich seltsame, lustige und obskure Geschichten verbergen!

TEXT & FOTOS: Susanne Krieg 

1. Hamburgs „Land’s End“: Der Mini-Leuchtturm an der Bunthäuser Spitze

Leuchten? Tut er schon seit 1977 nicht mehr. Diesen kleinen, hölzernen Leuchtturm, Baujahr 1914, findet Ihr an der Bunthäuser Spitze. Dort markiert er das südöstlichste Ende der Elbinsel Wilhelmsburg, vor der sich die Elbe in Norder- und Süderelbe aufteilt. Wäre er noch in Betrieb, wäre er heute vielleicht sogar der kleinste Leuchtturm Deutschlands, einen Titel, den derzeit der Leuchtturm Oland auf der Hallig Oland im nordfriesischen Wattenmeer innehat. Der ist mit 7,45 Meter nur etwas höher als das Bunthäuser Leuchtfeuer. Dafür dürft Ihr den grün-rot-weißen Mini-Leuchtturm von Wilhelmsburg sogar hochklettern – was Ihr unbedingt tun solltet, denn von oben hat man eine fantastische Sicht auf den Fluss, die Deiche und eine verwunschene Umgebung.

– Bunthäuser Spitze / Website / Google Maps


2. Der nachdenkliche Bojenmann

Als ich den Bojenmann von Övelgönne  das erste Mal erblickte, war ich ganz schön irritiert. „Wer hat sich denn da in voller Montur auf’s Wasser verirrt?“, dachte ich. Bis ich merkte, dass der Mann ein Kunstwerk war: eine Skulptur des Bildhauers Stephan Balkenhol, geschnitzt aus einem Eichenstamm und auf eine schwankende Boje montiert. Auf Höhe der Strandperle ist der Bojenmann seit Jahren schon an einem Anker festgekettet – aber nur von März bis September, im Winter wird er eingeholt … Es gibt übrigens noch drei weitere dieser frei schwimmenden Denkmäler in Hamburg: auf der Außenalster (östliche Uferpromenade, Höhe Schwanenwyk), östlich der Brücke des 17. Juni in Harburg sowie auf einem kleinen Flüsschen (Höhe Alte Holstenstraße) in Bergedorf.

– Övelgönne vor der Strandperle / Google Maps


3. Wo ein „Begrüßungskapitän“ Schiffe aus aller Welt mit Lautsprecherhymnen willkommen heißt

Juni 1952. Zum ersten Mal schallt durch einen knackenden Lautsprecher die Begrüßung eines Schiffes über die Elbe: „Willkommen in Hamburg, wir freuen uns, Sie im Hamburger Hafen begrüßen zu dürfen“ – bis heute sind auf diese Weise hunderttausende Schiffe begrüßt worden, eine Zeremonie, die weltweit einmalig und so nur im Schulauer Fährhaus in Wedel kurz vor dem Hamburger Hafen zu erleben ist. Die Schiffsbegrüßungsanlage steht unter der Patenschaft der Nautischen Kameradschaft HANSEA. Neben Willkommensworten in Landessprache wird auch die jeweilige Nationalhymne des Landes gespielt, aus dem der Schiffsbesuch kommt. Auf meinem Foto seht Ihr noch die Kassetten, die man vor Beginn des „digitalen Zeitalters“ dafür extra aufgenommen hatte. Am Ufer zeigt zudem ein automatischer Mast allen Schiffen die Flagge Hamburgs, die Flagge der Bundesrepublik Deutschland und die Landesflagge von Schleswig-Holstein an, sowie die Signalflagge UW, die für „Wir wünschen gute Reise“ steht. Die Begrüßungskapitäne in der Kommandozentrale sind wirklich mal zur See gefahren und erzählen einem gern alles, was sie über die ein- und ausfahrenden Pötte so wissen. Abrunden kann man seinen Besuch im Biergarten des Schulauer Fährhauses, in dem es Kuchen und andere Leckereien gibt.

– „Willkomm Höft“ im Schulauer Fährhaus / Website / Google Maps


4. Das Geheimnis der Puffhunde von Övelgönne

Wer in Övelgönne am Strandweg (aber auch im Blankeneser Treppenviertel) unterwegs ist, sieht sie auf den Fensterbänken sitzen: Porzellanhündchen. Manche von ihnen sollen über 200 Jahre alt sein. Landläufig hießen diese Figuren früher auch „Kamin-Hunde“, weil sie damals vor allem Kaminsimse, Vertikos oder Kommoden zierten. Doch auf Ebay werden sie meist als sogenannte „Puffhunde“ feil geboten. Warum? Im 19. Jahrhundert sollen auch englische Prostituierte diese Hunde in ihre Fenster gestellt haben. Schauten sie dabei nach draußen, war frei, waren sie nach innen gewandt, war dies das Zeichen, dass „besetzt“ war. Englische Matrosen sollen die Hunde schließlich nach Hamburg gebracht haben, wo sie dann in den Kapitänshäusern von Övelgönne landeten. Es heißt, die Ehefrauen der Hamburger Seefahrer hätten die geheimen Signale übernommen und mit den Hunden Botschaften an ihre Liebhaber vermittelt. War der Ehemann mal wieder auf hoher See, guckten die Hunde auf die Elbe. War er zu Hause, drehten die Hunde dem Fluß den Rücken zu. 

– Strandweg in Övelgönne / Google Maps


5. Die Nostalgie-Tankstelle vom Brandshof

Einsteigen bitte! Ich habe den DeLorian aus „Back to the Future“ vorgefahren! Es geht auf Zeitreise zurück in die 50er! Genauer gesagt besuchen wir die Großtankstelle Brandshof. Aber nicht zum Tanken, denn das geht hier ausnahmsweise nicht mehr. Dafür könnt Ihr ab 6 Uhr morgens guten alten Filterkaffee trinken – und zwar in liebevoll-stilechter Nierentisch-Atmosphäre. Tagsüber gibt’s außerdem ehrliche Frikadellen, Fritten oder Kartoffelsalat. Aber auch sonst lohnt der Besuch, denn am Brandshof fahren viele alte Schlitten vor: Die ehemalige Tanke ist heute nämlich eine auf Oldtimer spezialisierte GTÜ-Prüfstelle, bei der allerdings auch neue Autos zum TÜV oder für Reparaturen vorbei kommen können. Und nun: Zurück in die Zukunft, bitte!

– Brandshofer Großtankstelle / Website / Google Maps

6. Das Beinhaus unter der Großen Freiheit

Quelle: Wikipedia / Creative Commons

 

Unser nächstes Ziel: die Große Freiheit auf der Reeperbahn. Im 17. Jahrhundert gehörte die Straße noch zum dänischen Altona und lag außerhalb der Stadtmauern von Hamburg. Hier fanden Religionen eine Heimat, die das evangelische Hamburg nicht duldete. Katholiken, Mennoniten und Calvinisten etwa machten diesen Teil des Kiezes einst zur frommsten Gegend Nordeuropas! Geblieben sind die Katholiken, und bis heute bildet deren barocke St. Joseph-Kirche am Ende der Großen Freiheit einen interessanten Kontrast zu den umliegenden Discotheken, Musik-, und Sex-Clubs. Was kaum jemand weiß: In der Krypta unter der Kirche lagern Totenschädel und Gebeine von etwa 350 Verstorbenen, die hier zwischen 1719 und 1868 bestattet worden waren. Nach dem 2. Weltkrieg geriet die stark beschädigte Gruft jedoch in Vergessenheit und heute ist kaum noch etwas über die dort bestatteten Toten bekannt. Inzwischen ist ein Beinhaus hergerichtet worden: in einem etwa fünf Quadratmeter großen Raum hinter einer Glastür. In Vitrinen kann man Sargbeigaben wie Eheringe, Rosenkränze oder Kruzifixe, aber auch Überreste wie Zahnersatz oder Perücken sehen. Jeden Mittwoch von 12:00 bis 12:15 Uhr wird in der Krypta gebetet, im Anschluss sind die Krypta und das Beinhaus bis 13:00 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich. Auf Anfrage sollen auch Führungen für Gruppen möglich sein. Sicher jedoch nur in Corona-freien Zeiten.

— St. Joseph, Große Freiheit 22 / Website

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7. Wenn im 7. Boden der Turmtüter erklingt

Kennt Ihr den „Turmtüter“?  Für meine Foto-Walks treffen wir uns öfters morgens um 10 Uhr auf der Wiese vor dem Michel. Unsere Tour beginnt dann jedes Mal mit einer Fanfare. Denn genau um 10 Uhr jeden Tag geht eine Klappe unter der Kirchturmuhr des Michels auf und eine Trompete erklingt. Spielt wird sie vom Turmtüter. Nach alter Tradition blasen die Turmtüter Hamburgs nicht nur täglich morgens, sondern auch jeden Abend um 21 Uhr (sonntags auch um 12 Uhr) vom Michel Choräle in alle vier Himmelsrichtungen – und zwar im Uhrzeigersinn. Dafür begeben sie sich auf den 7. Boden, den sogenannten „Türmerboden“. Dieser Brauch wurde während der Reformation in Hamburg eingeführt, wird also seit mehr als 300 Jahren praktiziert. Bis zur Aufhebung der Torsperre zum 1. Januar 1861 war der Trompetenchoral des Turmtüters das Zeichen für die Öffnung beziehungsweise Schließung der Stadttore. Heute ertönen die Lieder vielmehr zur Freude der Menschen, die meist überrascht stehen bleiben, kurz innehalten und fasziniert nach oben blicken

— St. Michaelis Kirche, Englische Planke 1 / Website / Google Maps


8. Alter Schwede: Hamburgs schwerster und ältester Bürger

Wer hinter Övelgönne weiterspaziert oder mit der HVV-Fähre nach Finkenwerder übersetzt, sieht ihn plötzlich: Einen 217 Tonnen schweren, 15 Meter hohen Steinkoloss, der wie ein Elefant am Strand wirkt. In weiser Voraussicht wanderte der schwere Kerl während der Eiszeit den ganzen Weg von Schweden bis an jenen Ort, an dem im 5. Jahrhundert Hamburg entstehen sollte. Im Jahr 1999 rettete die Stadt den Findling aus den Tiefen der Elbe, um ihn auf den Strand von Övelgönne zu werfen. Dort wurde er auf den Namen „Alter Schwede“ getauft und mit einer feierlichen Zeremonie offiziell eingebürgert. Obwohl er älter sein dürfte als jeder Bürger dieser Stadt und länger hier ist als alle, ist er dennoch ein „Quiddje“, wie man in Hamburg halb scherzhaft „Zugezogene“ nennt.

– Alter Schwede in Övelgönne / Google Maps


9. Die Trinkhalle im Stadtpark

Die „Trinkhalle“ im Stadtpark: Heute ein Café, wurden hier früher Brunnenkuren für Menschen angeboten, die sich den Besuch eines Kurbads nicht leisten konnten. Besucher der Halle hatten die Auswahl aus 50 Heilwässern und dazu ausgewiesenen Spazierwegen im Stadtpark. Worum genau handelte sich bei diesen Trinkkuren eigentlich? Ich hab’s mal recherchiert – und es klingt ziemlich… naja, seltsam: „Die Badegäste tranken von früh bis spät unablässig aus den Mineralbrunnen, pro Tag oft bis zu 20 Liter. Um den eher unangenehmen Geschmack des Wassers zu überdecken, wurde es mitunter mit Milch oder Wein vermischt. Gewisse Nebenwirkungen mancher Quellen galten als durchaus erwünscht; so gab es bekannte Furzbrunnen (z. B. in Bad Schwalbach) oder auch Kotzquellen (wie in Leukerbad). Außerdem wirken die meisten Heilwässer in großen Mengen stark abführend, so dass die meisten Kurgäste sicher unter Durchfall litten. Der Popularität der Trinkkuren tat das aber offensichtlich keinen Abbruch.“ Gebaut wurde diese hübsche Halle übrigens von Fritz Schumacher, über den Ihr noch mehr in meinem Blogbeitrag über Hamburgs Backsteinbauten erfahren könnt!

– Trinkhalle, Südring 1 (am Stadtpark) / Website / Google Maps


10. Der Pudel auf dem Dach

Auf diesem Dach sitzt ein Pudel! Warum? Dahinter steckt eine Liebesgeschichte… und die hat nix mit dem Pudel-Club zu tun! Im Inneren des „Laeiszhofes“ (Trostbrücke 1) befindet sich nicht nur eines der romantischsten Treppenhäuser der Stadt (siehe auch diesen Post). Das Kontorhaus ist noch dazu die Liebeserklärung eines Hamburger Kaufmanns an seine Frau. Der Reeder Carl Laeisz (1828 – 1901) hatte ein Faible für den Buchstaben P, weshalb seine Segelschiffe alle mit P beginnen mussten: Padua, Pamir, Passat, Peking (genau, das Schiff, das nun wieder in Hamburg ist!) … Zudem nannte Carl seine Frau Sophie wegen ihrer Ringellocken und Vorliebe für Turmfrisuren  „Pudel(chen)“ – was sie nicht zu stören schien, da sie offenbar Humor hatte…  Als Zeichen seiner Liebe zu Sophie gab Carl nicht nur Schiffen den Namen „Pudel“, sondern setzte schließlich auch noch eine Pudel-Skulptur auf den Mittelgiebel des Laeiszhofes. Einer der besten Liebesbeweise, von denen ich bisher gehört habe!

– Laeiszhof, Trostbrücke 1 / Google Maps

 

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hallo

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