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St. Pauli, Jenfeld, Niendorf: Diese Hamburger Orte sind in Songs verewigt worden

Es ist schon erstaunlich, wieviele Lieder über Hamburg geschrieben worden sind – beinahe noch verblüffender ist die Tatsache, dass viele dieser Songs ganz bestimmten Orten dieser Stadt gewidmet sind. Keine Frage, St. Pauli und der Reeperbahn wurde dabei wohl am häufigsten gehuldigt. Doch auch weniger spektakulären Ecken wie Jenfeld, Bahrenfeld oder Niendorf, sogar einzelnen Straßen und Kneipen sind musikalische Denkmäler gesetzt worden. Aber wo genau sind diese Orte und worum geht es in den Liedern über sie? 

TEXT: SUSANNE KRIEG

 

TOCOTRONIC

Mit dem Bus nach Bahrenfeld (1997)

Ein Tocotronic-Klassiker der sogenannten „Hamburger Schule“, ja, man könnte fast sagen, eine Hymne – wenn diese Busfahrt nicht so ungemein melancholisch klänge, so als würde da jemand vom Regen in die Traufe, oder besser: mitten ins Gitarrengewitter von Bahrenfeld rollen… Fünf Jahre später sang die Hamburger Band Kettcar übrigens: „Irgendwie ist es doch besser, im Taxi zu weinen als im HVV-Bus“. 

„Kauf mir ein Bier. Ich trink es dann bei mir.“


NIELS FREVERT

Niendorfer Gehege (2008)

Nostalgische, aber keineswegs trübsinnige Erinnerungen an eine Jugend im Hamburger Nordosten, einem Gebiet, das nicht mehr Vorstadt ist, aber dennoch so wirkt, wo es Einfamilienhäuser gibt und eben das „Niendorfer Gehege“ – einen Wald, in dem sich immer noch Fuchs und Has‘ gute Nacht sagen – und wahrscheinlich damals auch Niels und seine Freunde. 

„Und wir flippten zusammen zu ‚I was made for lovin‘ you'“


CLICKCLICKDECKER

In Altona trank ich mal einen guten Kaffee

Gemein! Eigentlich ist dieser Song ja eine Mogelpackung, denn im gesamten Text kommt weder Kaffee, noch der Stadtteil Altona vor, stattdessen scheint dies irgendwie ein Rundumschlag zu sein, der sich wahrscheinlich auf alle Hipster-Stadtteile dieser Stadt bezieht.

„Hier dreht sich alles schneller, Hamburg zeigt, was es kann. Wo du gestern gespielt hast, erinnert sich morgen keiner dran“


KETTCAR

Landungsbrücken, raus

Strömender Regen, klatschnass, aber mit einem Lächeln im Gesicht und diesem Lied im Ohr – so steht man an den Landungsbrücken, während der Blick über den  Hafen, die Schiffe und Kräne schweift…

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„Dieses Bild verdient Applaus und noch 200 Meter und jetzt geht der Fallschirm auf,
jetzt geht der Fallschirm auf, na dann Herzlich willkommen Zuhaus!“


DIE STERNE

Wenn Dir St. Pauli auf den Geist fällt 

Na, wer hat das Wortspiel bemerkt? „Geist fällt“ und „Heiligengeistfeld“? Oder bin das nur ich, weil ich bekanntlich zu Verschwörungstheorien neige…?! Wie auch immer, die Sterne, die Anfang der 1990er zu den ersten Abiturienten der „Hamburger Schule“ gehörten, präsentieren hier einen Song, der einem, selbst wenn  man ein Herz für St Pauli hat, manchmal aus der Seele spricht.

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Als Goodie hier noch eine Cover-Version der wunderbaren Stereo Total

„Wir waren verliebt, kam mir so vor und jetzt ist alles so lange her. Die Nacht vorbei,
der Kiez gefegt, und alles schleicht, was sich bewegt.“


JOCHEN DIESTELMEYER

Jenfeld Mädchen (2009)

Als Jochen Diestelmeyer das Jenfeld Mädchen besang, dürften seine Zeiten als Pin-up-Boy tausender Germanistik-Studentinnen eigentlich vorbei gewesen sein. Doch das scheint ihn nicht davon abgehalten zu haben, in jugendlich-romantischer Manier von seiner Angebeteten und einem Stadtteil zu singen, der mir vor allem für seine Autobahnauffahrt im Kopf ist.

„Lass uns gehen, fort von Jenfelds Ebenen. Ich reich dir meine Hand und geh den ganzen Weg mit dir.“

 

 

FRISKA VILJOR

Wohlwill (2009)

Zwei Rumpelpopper aus Schweden wollen Urlaub in Hamburg und Berlin machen und stoßen auf ihren Streifzügen über den Kiez auf den Inhaber des Plattenladens Back Records in der Wohlwillstraße. Dieser organisiert einen Gig in seinem Laden. Sie bringen die Stimmung zum Kochen, und so geben die Stockholmer noch vier weitere Konzerte in Hamburg. Nach Berlin haben sie es letztendlich nicht mehr geschafft. Den neu gewonnen Freunden huldigten sie mit dem Song „Wohlwill“ und kommen nun umso häufiger an die Elbe.

„And those beautiful friends invited us to stay at their place on this street that we will never forget. We want to go back to the Wohlwill love.“


TOM WAITS

Reeperbahn (1992)

1992 inszenierte der Regisseur Robert Wilson für das Hamburger Thalia Theater das Musical Alice, basierend auf Carrolls‘ Alice im Wunderland. Die Musik dazu hatte Tom Waits geschrieben. Erst zehn Jahre später brachte Waits das Album dazu heraus, auf dem noch weitere Songs zu hören sind, die während seines Aufenthaltes in Hamburg entstanden waren. Was Tom Waits von Hamburg hielt, verriet er in einem SPIEGEL- Interview: „Regen. Kirchenglocken. Tauben. Alte Häuser. Züge. Ich bin nach Hamburg gekommen wegen Wilson. Mit ihm wäre ich auch nach Rumänien oder Korea gegangen.“

„The memories are short but the tales are long when you’re on the Reeperbahn“


LORD INVADER

My Experience on the Reperbahn (1959)

Der Calypso-King Lord Invader arbeitet in diesem Song seine Erlebnisse im Blauen Peter, einer bis heute existierenden Kneipe am Hamburger Berg auf. Dort hatte er offenbar mit einer gewissen „Madam Ericker“ das Tanzbein geschwungen und Händchen gehalten, nur um feststellen zu müssen, dass sie in Wirklichkeit ein Mann war. Kreisch.

„Yes, Paris is a joke to Hamburg, Germany! My experience on St. Pauli shocked my modesty.“


DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN

Begrabt mich bei Planten un Blomen (2014)

Eine Ode an Hamburgs bekanntesten Stadtpark – im Stile von „Strawberry Fields“. Seit ich den Titel des Liedes kenne, weiß ich, welcher Satz mein letzter sein soll, wenn ich mal gehen muss.

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 „Weißt Du noch, wie wir Cornetto Nuss aßen und eng umschlungen auf der Parkbank saßen?“


SAMY DELUXE FEAT. ILLO77

Eppendorf (2001)

Yo, dies ist eine Abrechnung mit den „Rich Kids“ von Eppendorf, einer der vornehmeren Ecken der Stadt. Es ist auch die Hood, in der Rapper Samy Deluxe aufgewachsen ist und in der man es ihm als Sohn eines afrikanischen Vaters und einer deutschen Mutter nicht unbedingt leicht gemacht zu haben scheint.

 „Heute hat keiner Zeit und das auch noch jeden Tag.“


NILS KOPPRUCH

Hamburger Berg (2010)

Kurz nachdem Nils Koppruch 2012 überraschend an einer Herzmuskelentzündung gestorben war, schrieb ein befreundeter Journalist über ihn: „Er war ein Eckensteher, Leutebeobachter, Großstadtcowboy; ein echtes Original, wie man in Hamburg sagen würde.“ Als Maler und Musiker hatte Koppruch lange auf St. Pauli gelebt und dort eine kleine Galerie betrieben. Gut denkbar, dass dieser Song also als eine wehmütige Hommage an diese Zeit gemeint ist.

„Der Himmel voll Nichts und die Sterne verloren im Hamburger Berg, Schneeregen draußen und Scherben, vormittags 13. März.“

 


WAREIKA

Teufelsbrück

Feine elektronische Tanzmusik der Hamburger Band Wareika, die sich 2008 nach einem Konzert der Havana Boys im alten Mojo-Club auf St. Pauli gründete. Das Stück bleibt ohne Worte, wurde offenbar jedoch inspiriert von jener Brücke in Othmarschen, die sich zwischen einem Fähranleger und dem Jenischpark spannt. 


OLIVER HUNTEMANN 

Zum Goldenen Handschuh (2009)

Oliver Huntemann ist ein Urgestein unter Hamburger DJs, der sich einen Namen mit Remixen für Underworld, Chemical Brothers oder Depeche Mode gemacht hat. Die St. Pauli Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“, auf den sich der Titel dieses Stücks bezieht, hat sich vor allem einen Namen durch den Serienmörder Fritz Honka gemacht, über dessen Leben Heinz Strunk 2016 einen vielbeachteten Roman geschrieben hat.


FINDUS

Hafenklang

Findus sind fünf Jungs aus Schleswig-Holstein, die 2005 eine Band gründeten und nach Hamburg zogen. Die Band hat sich 2016 wieder aufgelöst, doch aufgetreten ist sie mit Sicherheit auch im Hafenklang, einem Club an der Großen Elbstraße, dem zu Ehren sie diesen Song gewidmet haben.

„Wir sind dabei, uns zu erzählen, was wir verstehen. Ich nichts und du viel.“


GEORG PHILIPP TELEMANN

Alster-Echo (1725)

Ob Telemann jemals einen Burnout erlitten hat? Das Arbeitspensum, dass der Mann hinlegte, nachdem er 1721 Kantor des Johanneums, der Gelehrtenschule von Hamburg, wurde, erweckt zumindest den Anschein, wurde er doch gleichzeitig auch zum Musikdirektor der fünf Hauptkirchen ernannt, ein Jahr später übernahm er noch dazu die Leitung der Oper am Gänsemarkt. Neben dem Unterrichten musste er für jeden Sonntag und Feste wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten Kantaten komponieren, außerdem jährlich eine Passionsmusik. Hinzu kamen Opern (insgesamt 20 Stück!). Und auch für das jährliche Festmahl der Offiziere der Hamburger Bürgerwache schrieb Telemann so genannte Kapitänsmusiken. Doch damit nicht genug. Seine Stücke wurden auch zur Unterhaltung hoher Besucher sowie zu Anlässen wie der Hundertjahrfeier der Admiralität verlangt. Seine Wassermusiken „Hamburger Ebb und Flut“ und die hier verlinkte Ouvertüre über Hamburgs berühmten Innenstadt-See gehören in Hamburg heute selbstredend zu den beliebtesten Werken der barocken Komponiermaschine namens Telemann. 


ELEMENT OF CRIME

Vier Stunden vor Elbe 1 (1991)

„Vier Stunden vor Elbe 1“ nannte sich 1968 der erste Fernsehfilm, in dem Helga Feddersen mitspielte. Der Song, dessen Text vermutlich die Worte eines Matronsen sind, soll eine Hommage an die Hamburger Schauspielerin sein, die in dem Film die Leiterin eines Seemannsfrauenheimes mimt, in dem die Ehefrauen von Seeleuten auf deren Heimkehr warteten. Die Elbe 1 ist dabei ein Feuerschiff, das noch heute am Baumwall zu besichtigen ist.  

„Ein Ritt auf tausend Tonnen Stahl fordert seinen Preis. Und alt wie der Mensch ist die Sehnsucht nach der Ferne. Diesmal, mein Herz, diesmal fährst du mit.“


GOTTLIEB WENDEHALS

Blankenese Polonäse

Darf natürlich nicht fehlen. Dazu bin ich früher schon auf Kindergeburtstagen durch die Wohnungen meiner Freunde gezogen…

„Die Post geht ab, wir machen jetzt ’ne Sause. Der Bär ist los, heut‘ wackelt hier die Wand.“


WERNER PFEIFER

Harburger Hafenballade

Der Liedermacher Werner Pfeifer hat seine Nische gefunden: Er lebt stilecht inmitten von Industrieanlagen auf der umgebauten HADAG-Fähre „Kleiner Ozean“ im Harburger Binnenhafen und besingt ausschließlich Harburg, einen ehemaligen Arbeiter-Stadtteil im Süden der Hansestadt. So weit meine Erinnerung zurück reicht, wird Harburg zum nächsten großen Ding erklärt. Doch sein Schmuddel-Image ist der Süden nie richtig los geworden. Aber gerade das macht ihn so sympathisch. PS: Pfeifers Fähre kann man auch mieten!

„Harburger Hafen versteck dich nicht. Du bist eine Perle mit Öl im Gesicht.“


FINDUS

Hafencity

Und noch ein Song der fünf Jungs aus Norddeutschland, deren Musik irgendwas zwischen Indie und Punk ist, manchmal euphorisch, manchmal wütend. Das Lied „Hafencity“ dürfte zu den wütenden zählen. Ob sich der Groll jedoch wirklich auf Hamburgs modernste Riesenbaustelle bezieht, ist nicht ganz eindeutig zu sagen. Am Ende kommen jedenfalls die Geister und warten auf die gute Nacht… 

„Lass uns über alles reden, nur nicht den Verlust“


DEICHKIND 

La Playa (2002)

Ein Sommernachtstraum aus den Anfängen von Deichkind: tropisches Feeling am Elbstrand, yeah. Die Longdrinks sind gut, die Bässe fett und die Chicks tragen Hotstrings ohne Toppings… Deichkind waren einfach immer schon großartig – und ich hab’s bis heute leider auf kein einziges Konzert von ihnen geschafft…

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„Ich bin beflügelt und hab getankt, das Befinden is topp und die Nacht ist lang“

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